Stell dir vor, du hörst, dass ein neuer Club öffnet. Mega angesagt und jeder spricht darüber. Du kennst ihn nicht und rein kommst du auch nur mit einer Einladung. Achso, Dresscode gibt es auch. Was sich während Corona entweder nach Utopie oder nach einem illegalen Rave anhört, passiert gerade im Internet: Das Clubhouse öffnet.
Fairerweise muss man sagen, der Club existiert schon ein paar Monate. Doch der Hype kommt gerade erst in Deutschland an. Doch was ist denn nun Clubhouse überhaupt? Clubhouse ist eine sogenannte “Audio-Only”- App fürs Handy. Aktuell gibt es die App nur unter iOS fürs iPhone. Androidnutzer kommen nicht in den Club. Und auch iPhone- Nutzer kommen nur mit einer Einladung in die App.
Was kann Clubhouse?
Wie schon gesagt, gibt es in der App nur was zu hören. In Räumen können sich die Nutzer versammeln und Redenen zuhören. Es gibt eine Bühne, auf der sich die Speaker versammeln und diskutieren. Dabei kann jeder auf die Bühne geholt werden und mitreden. That’s it. Keine Likes, keine Swipes, keine schriftlichen Kommentare. Es existiert nur das gesprochene Wort in der Sekunde. Denn alles ist live. Keiner kann zurückspulen und sich nochmal eine Stelle anhören, geschweige denn komplett am Anfang starten.
Jeder hat sein eigenes Profil, kann Leuten folgen und selbst abonniert werden. Zusätzlich können Interessen angegeben werden. So bietet die App dann passende Räume an, in denen eingetreten werden kann.
Was gibt es für Inhalte?
In Deutschland dominieren aktuell noch Tech-, sowie Marketingthemen. Auch über Gründertum und Startups wird diskutiert. Da die ersten Deutschen alle aus diesem Kreis kommen, sind dadurch die Themen aktuell klar gesetzt. Blickt man jedoch in die englischsprachigen Räume ist die Themenvielfalt schon imposant angewachsen. Es wird über Alltagsthemen gesprochen, über Politik, Geldanlage, Spirituelles. Teilweise mit intensiven Diskussionen. Gerade politische Räume werden in den USA von der afroamerikanischen Gemeinschaft und der Black Lives Matter Bewegung geführt.
In Deutschland entwickelt sich das Themenportfolio aktuell stündlich. Die Nutzermasse wird breiter. Menschen aus Gesellschaft, Politik und Zeitgeschehen kommen dazu. Journalisten, Promis und Neugierige. Unterhaltsame Gesprächsrunden entwickeln sich. Es gibt Räume über Witze und Nonsense. Der größte Raum am Hypetag nannte sich “Better Call Paul”. Initiiert von Paul Ripke, Fotograf und Socialmedia Akteur. Weitere Online- und TV- Promis gesellten sich dazu. Joko Winterscheidt, Fynn Kliemann und weitere. Es gab phasenweise mehrere hundert Zuhörende in der Audience. Themen: vielfältig. Was kann die App, wo geht die Reise hin, die kaputte Heizung von Joko. Definiert ist nur der Startzeitraum. Ende: ungewiss. Über 5 Stunden habe ich den Room gesehen und teilweise verfolgt. Wie lange er wirklich ging. Keine Ahnung. Das macht den Reiz und triggert. FOMO – “Fear of missing out” – Die Angst, etwas zu verpassen wird von der App gnadenlos ausgenutzt. Was TikTok und Instagram schon sehr gut beherrschen, treibt Soundclub für mein Gefühl auf die Spitze.
Was macht diese App so attraktiv?
Es ist der perfekte Zeitpunkt im Lockdown. Soziale Kontakte reduzieren wir auf ein Minimum, wir starren täglich Stunden auf Bildschirme. Diese App transportiert mehr als nur Inhalte. Es kommen die Emotionen mit. Ich höre wieder Stimmen. Ich kann sie interpretieren. Kein trockener geschriebener Kommentar. Ich kann hören, ob es dem Speaker gut oder schlecht geht; ob er sauer, glücklich, wütend und freudig erregt ist. Das macht Spaß! Wie auf einer guten Hausparty kann ich mich wieder mit Fremden unterhalten. Quasi das Küchengespräch. Soziale Kontakte, die aktuell nicht möglich sind, werden durch Clubhouse digital umgesetzt.
Die Qualität der deutschen Unterhaltungen ist sehr hoch. Zumindest aktuell. Es ist ja noch ein sehr kleiner Kreis von Nutzern. Und diese Nutzer befassen sich allgemein mit fortschrittlichen und komplexen Themen, sind hochwertige Unterhaltungen aus ihrem Leben gewöhnt. Wie sich das in Zukunft entwickelt? Bleibt abzuwarten.
Gibt es auch Kritik ?
Den Blick in die Zukunft kann man zumindest ein bisschen auch jetzt schon vorziehen. Die USA sind schon weiter. Themen sind nicht nur positiv, es entstehen “Hassräume”. Ein Monitoring findet nicht statt. Wie sich das entwickelt? Muss sich zeigen. Auch das umfassende deutsche Lieblingsthema kommt zum tragen: der Datenschutz. Registrierung nur mit Handynummer und das eigene Telefonbuch muss freigegeben werden. Zudem werden die Unterhaltungen auf Server von Amazon aufgezeichnet, um das Audio zu analysieren. Speaker aus den Entwicklerkreisen erzählten in Rooms, dass Audio transkribiert wird, um es nutzbar zu machen. So könnten in Zukunft ganz genaue Interessenprofile der jeweiligen Nutzer erstellt werden. Doch aktuell ist der Hype und der Wille mit auf dieser Party zu sein größer.
Die Mischung aus Livepodcast, Radio, Zoomkonferenz, Podiumsdiskussion kommt an. Ob sich diese App etablieren wird? Gut möglich. Sie bringt Spaß, in den richtigen Räumen kann man was lernen und sie bringt das Gefühl von sozialem Treff ein Stück zurück. Clubhouse – Ein aktuell angesagter Club – für iPhonenutzer – mit Einladung.